Die Abfahrtszeit in Genua wurde bereits vorgestern nach hinten geschoben, auf 16.00. Trotzdem gehen wir am morgen früh. Man weiss ja nie, was am Gotthard und in Chiasso los ist, und alle, die etwas davon verstehen, rieten, früh zu sein. Aber es geht alles glatt durch. Im Tessin blühen die Forsythien und die Kirschbäume, und am Zoll werden wir durchgewunken, trotz unseres vollgestopften Autos. Wir sind froh. Wir hatten etwas Bammel und wussten nicht, ob es eine gute Idee ist, einfach zu fahren. Das Auto schon im Tessin ent- und wieder beladen wäre nicht schön gewesen.
Die Poebene liegt im Dunst, das ist ja wohl normal da. In Ligurien ist die Autobahn ein Erlebnis. Es ist so ähnlich wie von der Lüderen hinunter. Einfach zweispurig, und der Ausbau ist bei der Lüderenstrasse besser. Die Fahrtrichtungen sind lange Strecken völlig unabhängig voneinander geführt, manchmal auf der anderen Seite des Hügels. Es ist ein mulmiges Gefühl, ohne Sicht auf dem linken Streifen um eine Kurve zu fahren. Wenn plötzlich doch Gegenverkehr kommt? Wir sind wohl etwas verwöhnt, wir Schweizer.
Wie es in Genua laufen wird, war völlig unklar. Niemand konnte richtig Auskunft geben, wie das jetzt eigentlich in Italien so geht mit Corona. Das einzig Klare war, dass es einen negativen Test braucht. Irgendjemand wusste, dass es wieder Verschärfungen geben sollte, aber Pia fand heraus, dass diese nur über Ostern gelten. Dann stand irgendwo, dass grundsätzlich keine Touristen von Italien nach Tunisie dürfen. Das haben wir uns gut gemerkt.
Bei der Hafeneinfahrt gabs die erste Testkontrolle und die Wegbeschreibung zum Terminal. Beim nächsten Posten war wohl der entscheidende Punkt. Tunesien oder wieder nach Hause, der Mann am Tor entscheidet! “Vous allez au vacances?” Ah non, nous visitons un amie. Vous êtes pas des Touristes? Nonnon, nous transportons material pour notre amie. Vous avez une adresse a Tunis? Non, notre amie habite à Monastir, ici est le contract de louer avec son adresse. Das war gut, auf dem Mietvertrag hats gaaaanz viele Stempel, und erst noch farbig kopiert, gut gemacht, Chrigu! “Et vous n’êtes pas des touristes?” Nonnonnon. Bien, Stempel drauf, Coronatest kontrolliert, weiter.
Nach 30 m Kontrolle Coronatest, Kleber aufs Auto für priorisiertes Aussteigen, man gönnt sich ja sonst nicht viel, und Einreihen auf dem Vorplatz. Es ist halb eins, und wir sind bei weitem nicht die ersten.
Wir denken, ok, das ging jetzt einfach, alles weitere passiert wohl auf dem Schiff. Bei einem Pinkelspaziergang entdeckt Pia, dass es da noch eine grosse Halle gibt mit gaaanz vielen Leuten, die an einem Schalter anstehen. Wir stehen sofort auch an, etwa eine Stunde oder so. Wir haben ja Zeit. Am Schalter wird eingecheckt, der Beamte füllt selber irgend ein Formular für uns aus, und wir können nur noch unterschreiben. Keine Ahnung um was es da ging, Hauptsache, die Kreditkartennummer war nicht drauf. Er kontrolliert den Coronatest, endlich, für etwas haben wir ja schliesslich gelitten. Dann gibts noch ein Bigeli Formulare zum Ausfüllen, drei für jeden; es geht irgendwie auch um Gesundheit und Corona. Zuhause versuchte ich, online einen Folgetest in Tunesien zu buchen, es stand, beim CheckIn müsste das gemacht sein. Die Validierung via mein Schweizer Handy hat aber nicht funktioniert, und gefragt hat keiner danach. Es ist halt wie es ist.
Das Warten geht weiter. Irgendwann merken wir, dass der Pass auch noch gestempelt werden muss. Aber dieser Schalter ist jetzt, um halb vier, noch nicht geöffnet. Das gibt Zeit zum Blog schreiben. Kommunikationsmässig ist es hier wie früher, wir haben keine Handydaten, können keine Mails checken und keine Whattsapp verschicken, nur herumsitzen; richtig schlimm. Das Häkelzeug mag ich jetzt auch nicht holen im Auto. Alle anderen sind ständig am handylieren, telefonieren laut, hören arabische Musik. Die Halle ist eine gute Einstimmung auf die arabische Welt.
Wir stehen jetzt bei der Passkontrolle an. Plötzlich gibts Unruhe. Ein Mann rastet ziemlich aus. Wir verstehen leider nichts, porco miseria. Aber unser Schlangennachbar erklärt. Der Mann ist unzufrieden über die Verspätung. Wir erfahren: das Schiff wäre bereit, aber die Passpolizei ist einfach nicht gekommen. Sie beginnen erst jetzt mit der Kontrolle. Einfach so, ohne Begründung. Das dauert, die Autos können erst aufs Schiff, wenn alle durch sind, und deshalb legt die Fähre erst um acht ab. Voraussichtlich und vielleicht. Mir ist das gerade recht. Die Ankunft wird so voraussichtlich am Morgen früh sein, das finde ich sympathischer als um Mitternacht. Ankunft bei Sonnenaufgang tönt gut.
Wir kramen unseren Pass hervor. Unser Nachbar sieht ihn und fragt: “Vous avez une passeport suisse? Ca marche?” Er sagt, mit seinem französischen Pass dürfe er nicht nach Tunesien, er müsse seinen tunesischen Pass zeigen. Kurzes Knieschlottern, aber kein Problem, die freundliche Polizistin stempelt und winkt durch.
Es ist wirklich lustig. Wir haben jetzt einige Male Papiere und Pass gezeigt. Wer hat entschieden, dass wir fahren dürfen? Der Mann am Hafeneingang, Schwarzafrikaner mit Leuchtweste, ohne Uniform und so. Aber einen schönen Stempel hatte er. Erstaunlich.
Es ist nun etwa Mitte Nachmittag. Wir warten im Auto, es ist angenehm sommerlich warm. Nach sechs geht es plötzlich los. Wir stehen in der Kolonne ganz links, etwa an zehnter Stelle, und sind etwa das dreissigste Auto. Dann, vor der Fähre, werden wir hinausgewunken. Vier Autos haben gezahlt für priorisierten Auslad, wir sind eines davon. Also fahren wir zuletzt hinein. Wie gesagt, es ist nach sechs. Wir stehen Richtung untergehende Sonne, Hafen und Stadt im Blick, die Fähre im Rücken. Unser Programm: Sonnenuntergang, WC vermissen, einfahrende Autos bestaunen (das ist wirklich spannend). Viele Autos haben deutsche Schilder, und es ist unerklärlich, wie sie mit dieser Beladung den Weg bis hier geschafft haben.
Ein italienisches Paar, das mit uns wartet, klärt uns über manches auf, was wir sonst nicht begreifen. Diese Verspätung ist wirklich aussergewöhnlich. Die Gesellschaft gibt der Polizei die Schuld, aber sie denken, dass der Fehler eher bei der Fähre liegt. Die ganze Passkontrolle war ungewöhnlich: nach der Stempelei erfolgt eigentlich noch eine Kontrolle bei der Einfahrt ins Schiff. Die entfiel komplett. Die Polizei sass nur im Auto, stand den Arbeitern im Weg und liess ab und zu das Blaulicht drehen. Wir werden gelegentlich über die Verspätung informiert per SMS. Die aktuelle Abfahrtszeit liegt jetzt bei 23.00 Uhr.
Die Autos sind drin, jetzt beginnt der Auflegerverlad. Es ist unglaublich, mit welchem Affentempo die Schlepper fahren, rückwärts, ohne Sicht, zentimetergenau. Phänomenal. Zehn Container, zwanzig, vielleicht dreissig? Einfach, bis voll ist. Dann werden noch drei riesige Radlader hineingedrückt. Vom Deck schauen die Leute zu, die längst drin sind, Kabine bezogen haben und vielleicht sogar den Hunger gestillt haben. Zuletzt kommen die paar Autos mit Anhänger und das Auto, das abgeschleppt wird, ja das gibts tatsächlich, und ganz, ganz zuhinterst wir. Rückwärts hinein, direkt an der Rampe, Poleposition. Es ist übrigens jetzt dunkel, schon länger natürlich. Kurz vor zehn sind wir an Bord. Irgendwann um zwölf legt das Boot ab
Ein Gedanke zu „Genua – Warten ed.1“
Schöner Blog, bis hierhin gings ja ganz einfach und so gut wie pünktlich. ☺️
Aber vielleicht gibt es ja in der nächsten Folge auf hoher See dann Piraten, die das Schiff entführen …
(Im übrigen: frohe Ostern)