Städte in den Ferien können mir eigentlich gestohlen bleiben. Aber man kommt ja nicht darum herum, einzukaufen, Geld abzuheben, etwas zu Essen und Coronatests zu machen.
Wir gehen wenn möglich mit dem Velo in die Stadt. Es ist nicht weit, und es ist einfach praktischer. Das Ding mit dem Velofahren ist erstaunlich. Autofahren hier ist Stress, ich mag das ja auch sonst nicht so. Und Velofahrer haben hier auf der Strasse nichts zu melden, denkt man. Aber tatsächlich ist Velofahren für mich hier entspannter als in der Schweiz. Zuhause fürchte ich häufig um mein Leben. Autofahrer nehmen mich nicht wahr, sie fahren innerorts an mir vorbei mit fünfzig bei Gegenverkehr und biegen danach vor mir ab, sie sind mir viel zu nah, sie schauen auf sich und ihr Recht und fertig. Hier gibt es kein Recht, schon gar nicht für Velofahrer. Der Velofahrer hat nie Vortritt, er ist klar der Schwächere. Trotzdem schaut jeder auf ihn. Ich fahre auf der rechten Spur und muss nach links wechseln wegen eines parkierten Autos? Kein Problem, ich fahre einfach raus. Das Auto hinter mir sieht ja, dass ich nicht durch kann, und macht Platz. In der Schweiz würde ich bei einem solchen Spurwechsel gnadenlos überfahren. Ich muss die Strasse queren? Ich warte, bis ich eine Lücke habe, dann fahre ich einfach. Der Gegenverkehr sieht ja, dass ich hinüber will, und bremst selbstverständlich ab. Ist ja logisch, oder? Wenn ein Auto hinter mir hupt, macht er das einfach, um mir zu zeigen, dass er kommt, und nicht um mich zu kritisieren. Ich fahre quer über den Mittelstreifen und im Gegenverkehr auf die andere Strassenseite, kein Problem, man sieht ja, was ich im Sinn habe. Das geht einfach so, jeder schaut gut und beharrt nicht auf seinem Recht. Fertig. Für die Fussgänger gilt dasselbe. Es gibt gelegentlich Fussgängerstreifen, aber sie haben keine sichtbare Funktion. Jeder überquert überall die Strasse. Und es ist jedem klar, dass kein Auto stoppt, weil ein Fussgänger am Strassenrand steht. Das wäre wirklich dumm, weil niemand damit rechnet. Aber wenn der Fussgänger auf der Strasse ist oder auf dem rechten Fahrstreifen geht, ist er da, und dann ist das so. Das Auto bremst wenn nötig, oder es fährt einen Bogen vor oder hinter dem Fussgänger, wenn das geht mit genügend Abstand. Das ist alles kein Problem. Jeder weiss, wie das Leben für den anderen ist, und schaut, dass nichts passiert. Ich kann auch quer über einen Kreisel gehen, kein Problem, das ist völlig normal. Es ist seeeeehr anders als auf unseren Strassen, wirklich.
Es wird viel gebaut hier. Viele Häuser werden bei Bedarf einfach um ein Stockwerk aufgestockt. In unserem Quartier sind alle Häuser und Mauern zur Strasse schön herausgeputzt. Daneben und auf der Strasse sieht es dann anders aus. Aber in der Stadt sehen wir viele Häuser in wirklich schlechtem Zustand.
Warum stellen wir alles auf Paletten? Geht doch gut ohne…